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Meine Antwort auf die Frage von Marion
(„In welchem Bereich er als Sozialpädagoge arbeitet und
wie es ihm mit dieser Arbeit geht/wie sie ihm gefällt/zu
ihm passt o.ä.“)
Schon als ich noch bei der Bahn arbeitete, hatte ich Kontakt zu
Menschen mit psychischen Krankheiten. Ich begleitete einen
Mann als privater Beistand, der manisch-depressiv ist. Als ich
meine Frau kennen lernte kam ich durch sie in Kontakt mit dem
Krankheitsbild der Depression und was es heißt, als nächster
Angehöriger damit umzugehen. Sie litt seit ihrer Teenagerzeit
regelmäßig an wiederkehrenden Phasen von schwerer Depressi-
on. Als ich den Beruf wechselte, suchte ich eine Stelle im Bereich
der christlichen Institutionen im Raum Zürich und kam durch
einen Freund auf ein Zentrum, das psychisch kranke Menschen
aufnimmt und ihnen ein Betreutes Wohnen und geschützte Ar-
beitsplätze anbietet. Ohne Ausbildung bekam ich eine freie Stel-
le und arbeite heute noch am selben Ort. Durch die Ausbildung
bekam die Arbeit einen zusätzlichen Schub. Später konnte ich
sogar eine leitende Funktion einnehmen.
Ich glaube, die Arbeit mit psychisch Kranken passt zu mir. Es
braucht viel Geduld, Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit,
sich gesund abgrenzen zu können. Diese Fähigkeiten hatte ich
schon von Anfang an in einem gewissen Maß. Durch jahrelange
Erfahrung konnte ich mich darin entwickeln und wachsen. Psy-
chisch kranke Menschen haben nach meiner Erfahrung oft eine
große Affinität für religiöse Fragen, Musik und Kunst jeglicher
Art, alles Themen, die mich auch sehr interessieren.
Was ich, Marion, jetzt über diesen Mann denke:
Ein sehr offener Mensch - er hat auf meine eher allgemein gehaltene Frage
sehr persönlich reagiert. Ein Mensch, der sich sicher im Leben fühlt, der sei-
nen Platz gefunden hat und seine Berufung leben kann. Ein Mensch mit
einem reichen Innen- und Außenleben. Und tatsächlich mit einer kreativen
Ader . Ein sehr reflektierter Mensch, der Ruhe ausstrahlt.“
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